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Unangemeldeter Besuch 5

(…)
Sein Hinterkopf brannte. Langsam breiteten sich Kopfschmerzen aus. „Hättest du den Zoo nicht bei Horst lassen können?“, fragte er mürrisch.
„Diesem Unmenschen? Der kümmert sich überhaupt nicht um Hannibal und Cleo. Der würde sich freuen, wenn sie verhungerten.“
„Horst hat erheblich mehr Platz. Die Tiere haben es dort viel schöner“, stellte Wilhelm fest. Er schloss die Augen und tastete vorsichtig die Beule ab.
„Nein, das sind meine Lieblinge, die überlasse ich ihm nicht.“ Lydia funkelte ihn böse an.
„Hast du überhaupt kein Geld mit?“ Er öffnete die Augen wieder, erblickte auf der schwarzen Hose Tierhaare. Einzeln las er sie ab. Diese schwarz-braune Katze hatte so langes Fell, dass sie sich nicht mehr selbst pflegen konnte. In Wilhelms Augen wäre ihre beste Verwendung ein Pelzmantel gewesen. Aber als er es einmal im Scherz geäußert hatte, bekam Lydia einen entsetzlichen Wutanfall. Nur dem Eingreifen seines Schwagers verdankte er es, dass sie ihn nicht an Heiligabend mitten in der Nacht hinausgeworfen hatte.
„Nein, meine Scheckkarte liegt irgendwo in der Reisetasche. Mein restliches Geld habe ich für die Taxe zum Bahnhof, die Fahrkarte und die Hamburger ausgegeben. Zum Glück fahren die Kinder umsonst mit“, erklärte Lydia und schlug ihre langen, schlanken Beine übereinander.
„Ich finde es erstaunlich, dass du es mit den Kleinen, nebst Tierpark und und deinem halben Hausstand bis hierher geschafft hast.“
„Oh, das war gar nicht schwierig. Meine Taxe hielt genau vor der Bahnhofsmission und die Leutchen halfen mir in den Zug. Und in meinem Abteil war ein sympathischer junger Mann, der mir beim Aussteigen half und mir einen Kofferkuli besorgte.“
Lydia fand immer hilfsbereite Menschen, stellte Wilhelm erbost fest. „Dadurch hat er dann leider seine Bahn verpasst“, riet er.
„Nein, nein, er ist noch schnell in das letzte Abteil gesprungen, bevor sich die Türen schlossen.“
Wilhelm schüttelte fassungslos den Kopf. Wie sollte es jetzt bloß weitergehen? „Wie stellst du dir die Zukunft vor? Du kannst nicht hierbleiben, dafür ist die Wohnung zu klein.“
(…)

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Unangemeldeter Besuch 4

(…)

Wilhelm verteilte das Gepäck in der Wohnung. Einen Teil brachte er gleich ins Schlafzimmer. Dabei stolperte er über die Hundeleine. Beim Versuch das Gleichgewicht mit ein paar Schritten zurück zu gewinnen, trat Wilhelm auf eine Reisetasche und fiel hin. Im Fallen schlug er mit dem Kopf gegen die Wohnungstür. Hannibal jaulte laut auf. Er selbst verbiss sich einen Fluch.

Nico kletterte über einen Koffer und den Katzenkorb zu ihm, Hannibal folgte und leckte ihm übers Gesicht.

Wilhelm schob den Hund, eine Straßengrabenmischung mit viel Terrier, entsetzt von sich.

„Nico, geh in die Küche“, befahl er.

Nachdem er das gesamte Gepäck im Flur und Schlafzimmer gestapelt hatte, eilte er wieder hinunter.

„Musstest du dem Kerl so viel Geld geben? Der hat mich vielleicht angemacht! Wir hätten die Sachen auch allein hochtragen können“, empfing Lydia ihn.

„Wolltest du hier noch länger stehen? Du hast dich bereits zum Schauspiel der Straße gemacht“, wies Wilhelm sie zurecht. Sein Kopf pochte. Er spürte, wie die Beule wuchs. Nur mit Mühe beherrschte er sich. Dabei geriet er höchst selten in Wut.

„Wieso?“, fragte Lydia ahnungslos.

Kaum merklich nickte Wilhelm nach links oben.

Lydia drehte sich um und schaute hoch. Im zweiten Stock des Nachbarhauses bewegte sich eine Gardine.

„Unsere alte Jungfer beobachtet alles genau.“

Spontan hob seine schreckliche Schwester den Arm, winkte und warf Kusshändchen. Dabei funkelten ihre blauen Augen und Lachfältchen verzauberten ihr Gesicht.

„Lydia, das reicht! Benimm dich nicht so provozierend.“

„Wer benimmt sich peinlich? Ich oder die Alte?“ Sie lachte ihren Bruder an. „Sei doch nicht ständig so spießig.“

„Was machen wir mit dem Kinderwagen? Im Hausflur ist kein Platz, oben bei mir in der Wohnung aber auch nicht“, wechselte Wilhelm das Thema.

Lydia krauste die Stirn.

„Anna-Lena muss darin schlafen. Wir bräuchten nur das Oberteil. Das Fahrgestell kann in den Keller.“

„Gut, dann tragen wir das Baby hoch, und ich hole den Schlüssel.“

Sie lösten die Sicherungen und jeder griff sich einen Gurt von der Tragetasche.

Als Wilhelm das Fahrgestell hinunter trug, überlegte er, ob er Hund und Katze nicht ebenfalls in dem Verschlag unterbringen könnte. Aber Lydia würde es nie zulassen, sie liebte ihre Tiere abgöttisch. Allein der Vorschlag hätte einen Wutanfall bei ihr ausgelöst und bestimmt sein Porzellan reduziert. Gerade jetzt würde er alle Teller und Tassen benötigen.

Schwer atmend stieg er die Treppe hoch. Erschöpft ließ er sich in den Lehnsessel fallen.

„Vorsicht, Cleo“, schrie Lydia entsetzt auf.

Doch die Katze hatte die Gefahr rechtzeitig erkannt und war über die Rückenlehne auf den Schrank geflüchtet. Dort hockte sie und fauchte Wilhelm an.

(…)

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Unangemeldeter Besuch 3

(…)
Mit einem besorgten Blick auf die Taschen und Koffer, den Kinderwagen mit seinem schreienden Inhalt, den bellenden Hund, den Nico inzwischen an der Leine hielt und das Katzenkörbchen zog Wilhelm einen Fünfzigeuroschein aus dem Portemonnaie. „Können Sie uns beim Hochtragen helfen?“, bat er.
„Bis wohin?“ Misstrauisch schaute der Fahrer die Fassade empor.
„Nur in den ersten Stock. Es würde dann so stimmen.“
„Aber Wilhelm …“, fiel Lydia ein. Mit einer Handbewegung warf sie ihre langen, blonden Haare nach hinten.
„Sind Sie so freundlich?“ Er lächelte den Fahrer an.
„In Ordnung.“ Der Chauffeur grapschte nach dem Schein und verstaute ihn. Dann schnappte er sich zwei Koffer und lief los. Lydia drückte ihrem Bruder den Katzenkorb in die Hand.
„Ich wollte die Reisetaschen nehmen“, wandte er ein.
„Nein, zuerst die Katze und der Hund“, bestimmte Lydia.
Gehorsam eilte Wilhelm mit dem Katzenkorb, einer Reisetasche und seinem Aktenkoffer beladen zur Wohnung.
Nico stolperte mit dem Hund an der Leine hinter ihm her. „Nicht so schnell, Onkel Willy“, japste er.
Auf dem Absatz begegnete Wilhelm dem Taxenfahrer, der die Koffer einfach mitten auf dem Treppenabsatz stehen gelassen hatte.
Wilhelm setzte die Tasche ab und suchte den Schlüssel. Doch bevor er das Schloss aufschließen konnte, musste er erst einmal Nico, der ihn erreicht hatte und vor der Tür wartete, wegschieben.
Inzwischen kam der Fahrer erneut, drängte den Hund mit dem Fuß zur Seite und ließ zwei Reisetaschen und die Windeltasche neben dem anderen Gepäck fallen.
„Den Kinderwagen schaffen Sie bestimmt alleine. Ich fahre dann.“ Bevor Wilhelm antworten konnte, verschwand er.
„Müssen Sie den Fluchtweg versperren, unerhört“, schimpfte Herr Koch aus dem dritten Stock. Er stand auf der letzten Stufe und konnte nicht weitergehen, weil der Podest vollgestellt war. Zwischen dem Gepäck stand Nico und hielt den Hund eisern fest, der herumwuselte und sich in der Leine verheddert hatte.
„Sie können doch nicht einfach alles hier abladen. Das ist eine Unverschämtheit“, giftete Herr Koch. Sein Gesicht färbte sich mehr und mehr. An der Schläfe trat eine Ader hervor.
Als Antwort bellte Hannibal aufgeregt und überschlug sich fast. In einer Hand hielt Wilhelm noch immer den Korb mit der fauchenden Katze, mit der anderen versuchte er verzweifelt den Schlüssel ins Schloss zu stecken. „Entschuldigen Sie bitte, ich räume sofort auf.“ Er versuchte, so souverän zu wirken, wie es mit einem an seinem Arm zerrenden kleinen Jungen ging. Natürlich dauerte es ziemlich lange, bis er die Tür geöffnet hatte.
Hastig schob er eine Tasche mit dem Fuß in den kleinen Flur. Dadurch verlor der Berg seinen Halt und rutschte ab. Wilhelm sprang vor und verhinderte im letzten Augenblick, dass ein unförmiger Beutel die Treppe hinunterstürzte. Allerdings fielen zwei Äpfel und einige Butterkekse heraus und mussten wieder eingesammelt werden. Endlich hatte er eine Schneise für den Nachbarn freigemacht.
„Und ich habe Sie bisher für rücksichtsvoll gehalten“, murmelte Herr Koch, als er vorbeiging.

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