Archiv für den Monat Februar 2015

Der Blumenbote

Blumen„Schubertweg 15“, murmelte Leon und suchte im Dunkeln nach den Hausnummern. Endlich fand er die 15. Er klingelte. Der letzte Kunde, dann hatte er endlich Feierabend. Den hatte er sich auch schwer verdient. Valentinstag. Sein bisher anstrengendste Tag im Blumenladen. Es gab mehr als genug zu tun. Seit Stunden verteilte er bestellte Blumensträuße. Konnten die Männer ihrer Liebsten die Dinger nicht persönlich überreichen? Das erhoffte Trinkgeld blieb meist aus. Leon hoffte, im nächsten Jahr sein Jurastudium mit einem lukrativeren Job zu finanzieren.
Als die Tür aufging, blieb ihm die Luft weg. So ein süßes Mädel. Sie strahlte ansteckend. Lächelnd sagte Leon: „Frau Engelhard?“
Das Lächeln erlosch schlagartig. „Die wohnt da hinten im Schubertweg. Hier ist der Schubertplatz 15.“
Leon entschuldigte sich und lief in die gezeigte Richtung. Frau Engelhard war erheblich älter, nicht halb so hübsch und zeigte wenig Freude an den Blumen. so wenig, dass sie nicht einmal Trinkgeld für den Boten übrig hatte.
Desto mehr beschäftigte Leon die Kleine. Im Blumenladen kaufte er zum halben Preis einen übriggebliebenen Strauß und fuhr zurück zum Schubertplatz. Diesmal musste er mehrmals klingeln, bis das Mädchen mit rotgeweinten Augen öffnete.
Verlegen hielt Leon ihr den Strauß hin. „Für Sie.“
„Dennis hat vorhin Schluss gemacht.“ Tränen liefen über ihre Wangen. Sie schüttelte den Kopf, sie wollte die Blumen nicht annehmen.
„Doch für Sie. Sie haben mich vorhin so angestrahlt. Die meisten Frauen waren heute so knatterig“, stammelte Leon.
Eine Weile schwieg sie und ihr Blick wechselte immer wieder von Leons Gesicht zu den Blumen. Endlich stahl sich ein leichtes Lächeln in ihr Antlitz. „Lieb von Ihnen, vielen Dank!“
„Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen. Wollen wir uns Hamburger besorgen?“ Obwohl es Leons Trinkgeldeinnahmen übersteigen würde, freute er sich, als sie zustimmte.

©Eva Joachimsen